
Kernspintomographie: Fluch oder Segen in der Diagnostik von Kniegelenksverletzungen ?
Mein Arzt hat eine Magnetresonanztomographie (MRT) meines Kniegelenkes veranlasst, da meine Beschwerden nach langer zurückliegenden kleineren Unfällen, insbesondere beim Fussballsport bei Belastung zunehmen. Er versichert mir, damit bekämen wir die Sicherheit, ob im Gelenk etwas nicht in Ordnung sein. (Florian Hauser, Fussballer)
- Rissbildungen am Meniskus (Meniskusläsionen)
- Verletzungsbedingten und /oder degenerativen Knorpelschäden (Osteochondralen Läsionen)
- Knochenmarksödemen (Knochenprellung oder Bone Bruise)
- Bandverletzungen und ihrer Lokalisation

Magnetresonanztomographie- alleiniges diagnostisches Instrument zur Therapieentscheidung ?
In unserer täglichen Praxis erleben wir oft, dass Patienten von ihrem vorbehandelnden Arzt zur Magnetresonanztomographie überwiesen werden ohne genaue richtungsweisende Fragestellung. Für den Radiologen bedeutet dies, dass eine allgemein gehaltene Fragestellung wiederum zu einer ebenfalls unspezifischen Untersuchung mit Bilddokumentation führen kann. Die Ergebnisqualität einer derartigen Untersuchung ist somit zwangsläufig begrenzt. Mehr noch, positive Ergebnisse ohne Korrelat zum Beschwerdebild des Patienten können die Folge sein, die ohne ausreichende manuelle Diagnosesicherung durch den nachbehandelnden Arzt therapeutische Entscheidungen nach sich ziehen oder zumindest beeinflussen können. Beispielsweise eine diskussionwürdige Operationsentscheidung.
Die Sensitivität der MRT beim Kniegelenk für eine Vordere Kreuzbandverletzung liegt bei ca. 90 %. Das bedeutet : mit 90 prozentiger Wahrscheinlichkeit erkennt diese Untersuchungsmethode eine solche Verletzung. Allerdings, laut Wegner, F. Weninger,P. et al. (Vortrag AGA Dresden 2015 ) werden insbesondere bei länger zurückliegenden Verletzungen Kreuzbandrupturen oft nicht erkannt, wenn z.b.Teilabrisse des Vorderen Kreuzbandes am oberschenkelnahen Ansatz vorliegen und auch Rissbildungen eines Bündels des Vorderen Kreuzbandes (AM und /oder PL Bündel.) bestehen.
Die Konsequenz o.g. Ausführungen lässt folgende Fragen aufkommen:
Hängen die vom Radiologen beschriebenen Befunde und die vom Patienten beschriebenen Beschwerden immer kausal zusammen ?
Stimmen darüberhinaus die erhobenen klinischen Befunde mit den Patientenangaben bezüglich der Entstehung der Beschwerden überein ?
Inwieweit sind die vom Radiologen erhobenen Befunde im ärztlichen Alltag hauptsächlich oder alleinige Grundlage, beispielsweise für eine Operationsentscheidung ?
Am Beispiel der eingangs geschilderten Aussage des Patienten und Sportlers lässt sich, bezogen auf Kreuzbandverletzungen folgendes konstatieren:
Das Vordere Kreuzband besteht aus zwei in sich „verdrehten“ Bündeln (Anteromediales – und posterolaterales Bündel, kurz AM – und PL-Bündel genannt). Beide Anteile verändern bei Beugung und Streckung ihre Spannung und stabilisieren das Kniegelenk in unterschiedlichen Bewegungsgraden. Eine partielle Kreuzbandruptur ( Teilruptur) liegt dann vor, wenn nur ein Teil der jeweiligen Bündelstruktur verletzt wurde.
Partialrupturen (Teilrupturen) des Vorderen Kreuzbandes nach einer Verletzung machen oft nur leichte bis mäßige Kniebeschwerden über wenige Tage, treten aber bei stärkerer, insbesondere sportlicher Belastung immer wieder auf. Kurz gesagt: Sie machen ein uncharakteristisches Krankheitsbild, oft mit Beschwerden in der Kniekehle und werden oft auch als Kniescheibensyndrom fehlgedeutet. Die klinische Untersuchung bietet oft eine diskrete Überstreckungsschmerzhaftigkeit des Kniegelenkes (Hyperextension) im Seitenvergleich. Über eine wahrnehmbare Instabilität des Gelenkes (Giving Way Phänomen) wird selten berichtet. Entsprechend häufig wird diese Art der Kreuzbandverletzung übersehen.

Rekonstruktion Unfallmechanismus
Untersuchung
Die wichtigsten Stabilitätsteste für die vordere Kreuzbandruptur sind u.a. (Test für beide Kniegelenke):
Lachmantest Neutralstellung, in Innen-und Aussenrotation
Pivot-Shift Test
Vorderer Schubladentest in 90° Beugung Neutralstellung, in Innen-und Aussenrotation
Varus-und Valgusstabilitätsteste in 0° und 30° Beugung
Vergleich der Aussen- und Innendrehfähigkeit des verletzten Kniegelenkes mit dem gesunden Kniegelenk

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Die Überweisung zum Radiologen zur Magnetresonanztomographie ( MRT- Diagnostik) nach einer Kniegelenksverletzung sollte immer und ausschließlich von einem in der Gelenkdiagnostik erfahrenen Untersucher, mit entsprechend präzisen Vorgaben, nach manueller klinischer Untersuchung und detaillierter Rekonstruktion des Unfallherganges erfolgen.
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Die Domäne der Magnetresonanztomographie in der Diagnostik von Knieverletzungen sind Meniskus-, Knorpelschädigungen und Kreuzbandverletzungen. Nicht ausreichend sicher zu diagnostizieren sind ältere Verletzungen des gesamten Bandapparates, insbesondere Teilrupturen der Kapsel, der peripheren Bänder (Innen- Aussenband, anterolaterales Band, mediale und laterale Kapselschale, etc.) und bestimmte komplette Rissbildungen des Vorderen Kreuzbandes sowie auch Teileinrisse der Kreuzbänder bestimmter Lokalisation und Ausdehnung.
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Die manuelle Stabilitätsdiagnostik in der Hand des Spezialisten ist der MRT in mancher Hinsicht überlegen, da im Seitenvergleich zum gesunden Kniegelenk gemessene Instabilitäten des verletzten Kniegelenkes eine hohe Diagnosesicherheit zeigen. Bildgebende Befunde wie MRT oder Röntgen sollten ohne Einbettung in den anamnestisch – klinischen Kontext nicht isoliert zur Diagnose einer Kreuzbandverletzung herangezogen werden.
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Die fachärztliche Untersuchung und Befragung zur Erkrankungsgeschichte als wichtiges Kriterium ist essentieller Bestandteil des ärztlichen Handelns, um den für den Patienten relevanten Krankheitsfaktor auch tatsächlich herausfiltern zu können. Diese Prämisse gilt im Übrigen für alle Operationsentscheidungen innerhalb des orthopädisch-chirurgischen Formenkreises.