
Die Bedeutung der Bewegungseinschränkung nach Operation der Vorderen Kreuzbandplastik !
Dr.Volker Fass , Orthopäde und Sportmediziner, Orthozentrum und Fontanaklinik Freiburg, im Gespräch mit returntomove
Dr. Volker Fass : Die Ursachen können vielfältig sein, wir unterscheiden funktionelle und strukturelle Ursachen.
Dr. Volker Fass : Funktionelle Ursachen sind meist beeinflussbar, am ehesten handelt es sich dabei um Störungen des muskulären und sensomotorischem Systems (z. B. Koordination, Schwäche einiger Muskeln, etc.), z. B. im Rahmen nicht zufriedenstellend abgeschlossener postoperativer Nachbehandlung. Die auch heute immer noch häufigere Ursache ist jedoch das strukturelle Defizit. Dieses lässt sich wiederum unterteilen in strukturelle Schäden infolge der durch den Unfall zusätzlich zur Kreuzbandverletzung erlittenen Begleitverletzungen, wie Meniskusrisse, Knorpelschäden oder auch infolge vor dem Unfall schon bestehenden, meist angeborenen anatomischen Veränderungen wie X-oder O- Beine oder Kniescheibenfehlformen, etc. All diese Faktoren können den Erfolg einer Operation negativ beeinflussen, ebenso wie operationstechnische Fehler.
Dr. Volker Fass: Die nicht korrekte anatomische Anlage der Bohrlochplatzierungen im Ober- und Unterschenkel, die im Rahmen der Verankerung der Sehne (Plastik) gebohrt werden, gehören zu den häufigsten Fehlern bei Kreuzbandoperationen und kommen besonders vor allem bei nicht erfahrenen Operateuren vor. Exemplarisch zeigen die Röntgenbilder die Fehlplatzierung der Bohrlöcher (gelb) im Ober -und Unterschenkel, in diesem Fallbeispiel nach 3 maliger Operation der Vorderen Kreuzbandplastik.
a.p.Röntgenbild
a.p Röntgenbild mit Darstellung der fehlplatzierten Bohrlöcher (gelb) im Ober -und Unterschenkel
seitliches Röntgenbild
seitliches Röntgenbild mit Darstellung der fehlplatzierten Bohrlöcher (gelb) im Ober -und Unterschenkel
Dr. Volker Fass : Zum einen lässt die reduzierte Funktion, meist sowohl in Streckung als auch in Beugung, die qualitativ hochwertige Ausübung der sportlichen Tätigkeit nicht mehr zu. Besonders problematisch ist allerdings : Das vermeintlich “ zu kurze Kreuzband ” verliert zusehends an Festigkeit und damit die ursprüngliche Funktion. Die meist über Jahre vom Patienten kompensierte, fehlende komplette Streckung, führt zu einem erhöhtem Anpressdruck der Kniescheibe auf den Oberschenkelknochen mit der Folge eines schleichenden Abriebprozesses des Knorpels in diesem Bereich und somit zum Dauerschaden der Kniegelenksarthrose.
Dr. Volker Fass : Die Abklärung der Ursachen ist zunächst vorrangig. Stellt sich heraus, dass die Bewegungseinschränkung eindeutig im Rahmen der Fehlplatzierung (klinische Untersuchung, Röntgen, Kernspintomographie, etc) der Bohrlochkanäle erfolgte, so ergeben sich für den Sportler mehrere Optionen:
- Erneute Arthroskopie mit der Option, Verwachsungen zu beseitigen und durch eine Vergrößerung der Notch (Kreuzbandhöhle) , die Gleitfähigkeit der Plastik zu verbessern.
- Bei höheren Graden der Beweglichkeitseinschränkung ist meist eine Entfernung der Kreuzbandplastik notwendig. Nach einer erfolgreichen Physiotherapie mit Herstellung der vollen Beweglichkeit kann anschliessend die neuerliche Vordere Kreuzbandplastik in Betracht gezogen werden.
- Ist aufgrund erheblich ausgeweiterter, vergrößerter, anatomisch inkorrekt liegender Bohrlöcher im Rahmen der Erstoperation die Vordere Kreuzbandplastik nicht sofort möglich, so muss zunächst mit eigenem Knochenmaterial aus dem Beckenkamm oder auch mit künstlichem Knochen der Defekt aufgefüllt werden, das bedeutet, die Kreuzbandplastik kann erst nach Verschluss des Bohrloches, frühestens nach 5 Monaten erfolgen.
Dr. Volker Fass : im Grunde sollten Kreuzbandoperationen nur von in der Kreuzbandchirurgie erfahrenen Operateuren durchgeführt werden. Die Erfahrung des Operateurs entscheidet auch im Hinblick darauf, ob verschiedene Op Techniken eingesetzt werden können. Der ärztliche Support muss auch in der Rehaphase durch den Operateur gewährleistet werden, dies ist leider oft nicht die Regel. Für den Sportler ist die Einholung einer Zweitmeinung eines erfahrenen Kreuzbandspezialisten in jedem Fall empfehlenswert.